Anläßlich einer vollständigen Renovierung der Wallfahrtskirche St. Bartholomäus in Salzkotten-Verne, wurde uns auch die Betreuung einer totkranken Patientin anvertraut, nämlich die 24 registrige Feith-Orgel. Untergebracht im letzten Gewölbe des Hauptschiffs, dämmerte dieses Instrument durch massive Rußbildung jahrzehntelang abgebrannter Kerzen vor dem Gnadenbild und einer raumklimatisch extremen Nutzung, dem sicheren Schimmeltod entgegen.
Ein entsprechendes mykologisches Fachgutachten erbrachte eine 800 fach (!!) höher als zulässige Belastung mit Schimmelpilzen, die bausubstanztechnisch und innenraumhygienisch relevant wurde.
Insbesondere die Leimverbindungen in der Orgel (bei allen Holzpfeifen) waren durch den Pilzbefall mit Aspergillus sp. und Stachybotrys sp. derartig stark betroffen, daß der mit dem Nachweis beauftragte Mykologe und Mediziner eine Einstufung des Befalls in Kategorie 3 (Kategorien 1 bis 3 sind möglich, Landesgesundheitsamt Baden-Würtemberg) begutachtete.
Dringende Aufgabe für die Kirchengemeinde: Gesundheitsgefährdung verhindern!
Im Gutachten wird ausgeführt, „(…) daß es sich hierbei um Mikroorganismen handelt, die eine nachhaltige Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit verursachen können und deswegen unter besonderer Kontrolle zu handhaben (…)“ sei.
Man sieht es dem Schimmel eben nicht an, wie gefährlich er ist.
Immer dann, wenn der Organist die Orgel in Gang setzt kommt es zu einer, so das mykologische Gutachten, „innenraumhygienischen Relevanz“. Man stelle sich vor, die sonntägliche Gemeinde, Kinder, Jugendliche, ältere Menschen werden über die Raumluft stark allergisiert. Auch die Orgel bedient sich dieser Raumluft! Falls das auch in Ihrer Kirche relevant sein könnte, so lesen Sie bitte den folgenden Auszug aus dem mykologischen Gutachten:
Beide nachgewiesene Pilzgattungen produzieren stark allergen wirkende Sporen; ferner sind verschiedene Mycotoxine (z.B. Aflatoxine oder Trichothecene) zu erwarten, die als leber- und nierenschädlich, sowie immunsuppressiv einzustufen sind. Diese Mycotoxine können über die Sporen des Pilzes oder an Partikel gebunden in die Raumluft gelangen und auf diese Weise eingeatmet werden (im Sinne eines „inhalativen Expositionspfades“). Da der Befall im Bereich der Windkästen und Kanzellen insbesondere in Form eines Luftmycels imponiert, können bei Bespielung des Instruments allergene und toxische Sporen in die Raumluft freigesetzt werden, was als sehr ungünstig aus innenraumhygienischer Sicht bewertet werden muß.
Aufgaben für die Meisterwerkstatt Albert Baumhoer – der die Restauration der Orgel übertragen wurde
Holz und Leder im Orgelbau sind als organische Kohlenstoffquelle (Cellulose, Lignin, Keratin) dann von den, natürlicherweise in der Raumluft vorhandenen Pilzsporen, einem besonderen Befall ausgesetzt, wenn zwei Bedingungen vorherschen:
- die kritische Feuchte der Bausubstanzoberfläche (hier Pfeifen, Trakturen, Bälge etc) wird überschritten und
- ein unmittelbarer Lichtzutritt ist nicht vorhanden (der UV-Anteil des Sonnenlichts führt zu einer Inaktivierung der Sporen).
Als Restaurator dieser Orgel haben wir der Kirchengemeinde für die Zukunft sehr ans Herz gelegt, daß die Temperatur der Raumluft kontrolliert werden muß mit dem Ziel, eine Oberflächenauskühlung und damit das lokale Unterschreiten des Taupunkts unbedingt zu verhindern. Wird nämlich der Taupunkt unterschritten, kommt es in der Folge zu einer Kondenswasserbildung in der Orgel an den Gehäusewänden, Pfeifen, Fundamentplatten etc.
Genau das war die Falle für das Instrument der Wallfahrtskirche: Durch zahlreiche Kirchenbesucher und Pilgergruppen bei Gottesdiensten wird der Raumluft eine größere Menge an Wasserdampf zugeführt.
Damit sich das Wasser nicht an der Bausubstanz niederschlägt, muß direkt nach dem Gottesdienst durch Stoßlüften ein Ausgleich mit der Aussenluft geschaffen werden. Dabei sollte die Temperatur allerdings nicht schlagartig im Innenraum massiv sinken, da es dann zur Kondenswasserbildung in der Orgel käme. Keine ganz einfache Aufgabe also für den Küster, den Innenraum kontrolliert stoßzulüften und gleichzeitig die Temperatur (etwa im Winter) zu halten. Es gilt: Stoßlüften ja, aber nicht auskühlen lassen.
Dabei gilt es auch den innenraumklimatischen Normbereich nach DIN zu erreichen:
Abgesehen von den für jedes Instrument schwierigen Bedingungen für die Stimmung durch abruptes Aufheizen, etwa am Wochenende zu den Gottesdiensten, läßt sich aus unserer Erfahrung im Kampf gegen den Schimmel sagen, daß die Temperaturänderung nur akzeptabel ist, wenn die Temperaturänderung im Bereich von 1 Grad Celsius pro Stunde liegt und die Differenz zwischen Maximal- und Minimaltemperatur von ca 5 Grad Celsius nicht überschritten wird. Nur auf diese Weise entstehen eben keine Wärmebrücken, die dann zu einer Kondenswasserbildung (durch Unterschreiten der Taupunkttemperatur) führen würden.
Unsere Patientin hat den lebenserhaltenden Eingriff gut überstanden:
- An der Oberfläche wurde der sichtbare Schimmelbesatz durch Pinsel und Staubsauger (mit Atemschutzmaske) entfernt.
- Alle Holzteile der Orgel wurden mit einer tensidhaltigen Reinigungslösung feucht abgewischt bzw. behandelt, um die sedimentierten Sporen und Mycelbestandteile zu entfernen
- Im zweiten Durchgang wurden alle Holzteile gründlich mit einem fungizid wirkenden Präparat behandelt, damit eine sogenannte Remanenzwirkung gegen Neubefall erzielt wird.
Gerade der letzte Punkt war für unsere restaurative und pflegerische Arbeit an diesem Instrument entscheidend. Würde man die Orgel nicht behandeln, so wären alle orgelbautechnischen Maßnahmen der Gefahr ausgesetzt, schon nach kurzer Zeit durch weiteren Schimmelbefall vollständig aufgehoben zu sein, von der erheblichen Gesundheitsgefahr für Gottesdienstbesucher einmal ganz abgesehen.
Der Schimmel ist deshalb so tückisch für eine Orgel, weil Leimverbindungen angegriffen werden, was zu Leckagen (im Sinne von Durchstechern) führt und eine verstärkte Rißbildung des Holzes zur Folge hat.

Schimmel muß bekämpftwerden, weil
- Bildung von Mycotoxinen: Gesundheitsschädliche (leber- und nierenschädigende), oft gleichzeitig krebserzeugende, organische Stoffwechselprodukte vieler Schimmelpilze.
- Bildung von Mycoallergenen: In der Regel sind hierunter die Pilzsporen zu verstehen, mittels derer die ungeschlechtliche Verbreitung der Schimmelpilze erfolgt. Diese Sporen enthalten Fremdeiweiße als starke Antigene und vermögen beim Menschen Sensibilisierungen und Überempfindlichkeitsreaktionen (Soforttyp = Typ I, sowie Spättyp = Typ IV nach Coombs und Gell) auszulösen.
- Bildung von geruchlich imponierenden Pilzmetaboliten: Mehr oder weniger unschön riechende, leichtflüchtige organische Substanzen, die den typischen „muffigen“ Kellergeruch in schimmelpilzbefallenen Räumen bedingen und demnach ein ästhetisches Defizit darstellen.
- Bausubstanzkorrodierende Wirkung der Schimmelpilze: Im Gegensatz zu Schwammpilzen (Destruktion) tritt im Hinblick auf Schimmelpilze eine „Substanzkorrosion“ auf. Hierbei kommt es im Hinblick auf Holz im wesentlichen zu einer Metabolisierung des Lignins des Holzparenchyms (Füllstoff)
Ohne Gewähr folgen hier einige Bilder aus der Orgel von Salzkotten-Verne, die das Ausmaß des Schimmelbefalls sehr gut dokumentieren. (Für Nebenwirkungen und Risiken fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker).